Es ist kein Zufall, dass die These von der Überwindung der Dichotomien“von Kultur und Politik,
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Friedrich Tietjen No Excuses! [10_2004] Wenn Benjamin in seinem Text über den Autor als Produzenten die Rolle des Schreibenden behandelt, so fällt die relative Absenz derer auf, für die er schreibt – des oder besser: der Rezipienten. Vordergründig sind sie sehr anwesend: Benjamin versah seinen Text mit genauen Angaben über Ort und Zeit und redet seine Zuhörer gleich im ersten Satz und im Verlauf des Textes immer wieder direkt an; doch trotz aller Anrufungen handelt es sich dabei mit einiger Sicherheit um eine Mystifikation: Weder kann das Datum stimmen, noch hat sich bisher irgendein Beleg gefunden, dass er im Institut pour l'étude du facisme 1überhaupt irgendeinen Vortrag gehalten habe. Interessanter verhält es sich dagegen mit den Rollen, die das Publikum als Gegenstand der Reflexionen Benjamins spielt. Zwar weist er immer wieder auf die Be-deutung hin, die die Solidarität mit dem Proletariat für die Arbeit der Schriftsteller habe, doch eingehen-der wird das Thema in drei verschiedenen Passagen des Textes verhandelt: Zum ersten Mal taucht das Publikum konkret auf, als Benjamin über Tretjakows Erfahrungen in der Kolchose Kommunistischer Leuchtturm berichtet: Der Schriftsteller unternimmt es hier unter anderem, Massenmeetings zu veran-stalten und zögernde Einzelbauern von den Vorzügen des Beitritts zur Kolchose zu überzeugen. Benja-min stellt hier einen auffälligen Gegensatz zu dem her, was gemeinhin als schriftstellerische Arbeit ver-standen ...